In unserem ersten Teil von Hall erzählt Geschichte(n) haben wir das Salinenareal, den Münzerturm sowie den Heiligen Nepomuk kennen gelernt. Heute besuchen wir den Unteren Stadtplatz mit den zwei ältesten Gassen der Stadt und erfahren Wissenswertes über den Bildhauer Rudolf Reinhart.

In „Hall erzählt Geschichte(n) – Teil II“ spazieren wir dieses Mal durch den sogenannten Hofratsgarten zum Unteren Stadtplatz, wo Sigmund der Münzreiche uns schon von weitem begrüßt.

Sigmund der Münzreiche und sein weltberühmter Guldiner

Rudolf Reinhart (1897-1975), ein aus Steyr in Oberösterreich stammender Spenglermeister, studierte im zweiten Bildungsweg an der Akademie der Bildenden Künste in Wien bei Professor Anton Hanak. Er hat die Plastik auf der Brunnensäule des Platzes im Jahre 1933 geschaffen. Die Figur des Tiroler Landesfürsten ruft uns die für Hall so wichtige, historische Persönlichkeit des Sigmund des Münzreichen in Erinnerung: Im Jahre 1477 lässt der Regent aus dem Hause Habsburg die Münzprägestätte von Meran nach Hall verlegen.

Schwaz, die „Mutter aller Bergwerke“, lag näher bei Hall und war zumindest über den Flussweg leichter zu erreichen. So wurde Schwazer Silber nach Hall getreidelt: Flache, von Pferden gezogene Boote (Zillen, Plätten) transportierten das kostbare Edelmetall in drei mühevollen Tagesetappen vom größten Silberbergwerk Europas zur Kopfstation der Schifffahrt bzw. des Flusstransports nach Hall, wo es zu Guldinern verprägt wurde. Die erste Großsilbermünze oder der erste Taler der Welt, Jahrhunderte später auch Namensgeber des amerikanischen Dollars, sollte um die Welt gehen. Die heutige Burg Hasegg war unter Sigmund zu einer geschlossenen Burganlage ausgebaut worden. Noch heute erinnert der qualitätsvolle, von Niklas Türing geschaffene Wappenstein aus Sandstein über dem Münzertor daran (1489).

Hall erzählt Geschichte(n) Teil II: Reinharts Spuren in Hall

Oft unbemerkt bleibt die Fortsetzung der Inschrift am Sockel der Brunnenfigur auf der Rückseite: Rudolf Reinhart, dem es als „Zuagroasten“ im Hall der Zwischenkriegszeit an Aufträgen mangelte, musste seine Nachbarn um Geld anbetteln. Seine persönliche Rache am Haller Bürgermeister ist wie folgt ausgefallen: Herzog Sigmund D. Münzreichen schaffte (!) I. Jahre 1933 Rudolf Reinhart D. Münzarme

Erst viel später erteilte die Stadt Hall dem Kunsthandwerker Aufträge im öffentlichen Raum: Sechs Gassenschilder (1958) sowie die Brunnenfigur Erzherzogin Magdalenas am Stiftsplatz (1952) stammen aus der Hand desselben Künstlers, der im Jahre 1932 sogar die Weltausstellung in Paris gewonnen hatte (Hl. Christophorus). Auch der Löwe über dem Salzburger Festspielhaus ist ein Werk Rudolf Reinharts. Zudem erinnern zahlreiche Geschäftsschilder in der Stadt an den Wahlhaller, der am Haller Friedhof 1975 seine letzte Ruhestätte gefunden hat. Sein zu Lebzeiten selbst gestaltetes Grab, das den Menschen als Skelett zeigt und sinnbildlich für die Vergänglichkeit des Lebens steht, sticht sofort ins Auge.

Die zwei ältesten Gassen der Stadt

Vom Unteren Stadtplatz aus öffnet sich unser Blick in die zwei ältesten Gassen der Stadt: die Salvatorgasse, einst Marktgasse genannt, weil die Bauern mit ihren Fuhrwerken hier durchzogen, um ihre Feldfrüchte in der Stadt zu verkaufen. Und die Schmiedgasse, die wie der Name schon sagt, die eiserne Zunft der Schmiede beherbergte. Werkstatt war hier an Werkstatt gereiht, nicht nur Huf-, auch Wagenschmiede führten hier ihr Handwerk aus. Noch heute erinnern alte Reitersteine daran, dass die Rösser zum Beschlagen in der Gasse festgebunden waren. Das Beschlagen der Pferde war wichtig, waren die Gassen im Mittelalter meist morastig. So muss man sich das Niveau der Gassen vor Jahrhunderten um einiges niedriger vorstellen, wovon die scheinbar tiefliegenden Haustüren heute noch Zeugnis ablegen. Kanalisation und Pflasterung haben das Niveau der Gassen um einiges erhöht.

Hall erzählt Geschichte(n) Teil II: Die Geschichte des Fasserrössls

Wichtige Kunden der Hufschmiede waren die Fassbinder oder kurz Fasser genannt. Diese Zunft war über Jahrhunderte eine sehr reiche ihrer Art. Viele Waren wurden in Fässern gelagert und vor allem transportiert, wie zum Beispiel das kostbare Weiße Gold sowie Wein und Bier. Eine Obere, Mittlere und sogar Untere Fassergasse (heute Amtsbachgasse) gab es westlich der Altstadt und des Stadtgrabens. Der Bedarf an Fässern war groß und es bedurfte jahrhundertelang immer wieder neu hergestellter Behältnisse. Waren die Fässer einmal verkauft, waren sie auch „verloren“. weil es im Mittelalter ja noch kein Recycling gab.

Deshalb erinnert auch heute noch das Fasserrössl, ein alter Haller Brauch, der in Hall heute nur noch am Rosenmontag im Innenhof des Rathauses zur Aufführung gelangt, an die Bedeutung der reichen Fasser. Zu viele Schäden hat es jedoch in Gaststuben und Wirtshäusern durch die wilden, „eisernen“ Gesellen gegeben. So wurde während der Aufführung meist einem der (prominenten) Zuschauer ein glühendes Hufeisen auf die Schuhsohle genagelt (!):

Der Fassbinder bzw. Reiter auf seinem (hölzernen) Ross wird von einem Fütterer und dem Wirt begleitet. Schmiedemeister, Gesellen und auch Lehrbuben bemühen sich vergeblich, das Ross zu beschlagen. Immer wieder geht es durch, es herrscht ein wildes Treiben, ein Schauspiel für alle Schaulustigen, die diesem bunten Treiben folgen. Die Schmiede stürzen zu Boden und laufen dem Ross nach, um es wieder einzufangen. Typisch ist vor allem auch der raue Umgangston, den Meister, Geselle und Lehrbub untereinander„pflegen“.

Im nächsten Teil unserer Serie spazieren wir über die Schwaighoferstiege zum Stiftsplatz, der ehemaligen Burg Sparberegg. Auch dort warten spannende Geschichten auf uns!

Anita

Anita

Anita ist Austria Guide aus Leidenschaft und in ihrer Freizeit gerne in den Bergen anzutreffen. Sie kocht gerne und verwöhnt das Team immer wieder mit ihren kulinarischen Köstlichkeiten!