Die Leiterin des Haller Stadtmuseum Christine Weirather lud kürzlich die MitarbeiterInnen des Tourismusverbandes zu einer exklusiven Führung in die neue Ausstellung FRAGIL Die Glashütte Hall 1534-1635 ein.

Kurze Glasgeschichte

Wie vielleicht aus den Medien bekannt, hat man 2022 zum Internationalen Jahr des Glases erklärt. Dass auch die Stadt Hall in der Vergangenheit mit der Glashütte Hall eine wesentliche Rolle in der Glasproduktion gespielt hatte, ist nur mehr wenigen bekannt. Kein Wunder auch, war doch Venedig das Glaszentrum Europas. Genauer gesagt, die Insel Murano, wohin bereits Ende des 13. Jahrhunderts sämtliche venezianischen Glashütten verlegt wurden. Nicht nur aufgrund der Brandgefahr, schließlich liegen zwischen Venedig und Murano 3 km Wasser. Durch die Verlegung der Glasindustrie nach Murano, konnten die Geheimnisse der Glasproduktion viel besser geschützt werden, als im geschäftigen Venedig. Die Glasmacher wurden regelrecht auf der Insel festgehalten. Sie durften sie nicht verlassen. Diese Strategie hat funktioniert, denn über die Jahrhunderte entwickelte sich Murano zum größten europäischen Zentrum für Glasherstellung!

Venezianische Glasmacher in Tirol

Trotzdem gelang es dem kunstsinnigen Sammler und Liebhaber exklusiver Dinge, Erzherzog Ferdinand II. unter schwierigsten Bedingungen, venezianische Glasmacher für Tirol „auszuleihen“. Einerseits zwar ein Gewinn für seinen Hof, da er sich Luxusgläser nach seinen Vorstellungen produzieren ließ, andererseits brachten die venezianischen Glasmacher auch Probleme mit sich. Sie galten aus Raufbolde und waren immer wieder in Streitereien verwickelt.

Highlights in der Ausstellung

Es ist einfach erstaunlich, welche Schätze die Haller Glashütte in ihrem rund hundertjährigen Bestehen hervorgebracht hat. Im Hauptraum der Ausstellung können Prunkstücke aus privaten und musealen Sammlungen bewundert werden. Sie stehen in Dialog mit den Ausgrabungsfundstücken bei der Haller Glashütte. Im Zentrum des Raumes befinden sich zwei Sonderobjekte: ein zierliches rot weißes Kännchen in typisch venezianischer Fadenglastechnik. Es ragt durch seine Qualität aus den übrigen Grabungsfunden heraus. Aber der größte Stolz von Christine ist ein großer Fußbecher mit Deckel aus Privatbesitz. Er war bis dato nur aus der Glasliteratur bekannt und wird hier erstmals öffentlich ausgestellt. Ihre Begeisterung in der Erzählung lassen uns Zuhörern nur erahnen, welch hohen Wert ein solch exklusives Ausstellungsstück für ein kleines Museum wie Hall besitzt.

Zum Schmunzeln

Amüsant fanden alle den Trichterpokal der Grafen Fuchs. Nicht etwa wegen seines besonderen rauchfarbenen Glases oder dem strahlenförmigen Kelch. Vielmehr deshalb, weil die unterhalb des Randes eingeritzten Texte darauf schließen lassen, wer den Trichterpokal zuletzt „ausgesoffen“ hatte. Man kann sich also vorstellen, welchen Spaß es bei diversen Trinkgelagen damals gegeben haben mag.

Haller Glas für zu Hause

Besondere Erwähnung muss der Mörserbecher an dieser Stelle erhalten, da er typisch für die Haller Glashütte ist. Diese kunstvollen Gläser wurden aus einer Blase durch Stauchung geformt. Der Tiroler Glasbläser Richard Weber fertigte Kopien (Repliken) von diesen besonderen Gläsern. Sie können im Museum erworben werden.

Standort Haller Glashütte

Bei archäologischen Grabungen am Standort der Haller Glashütte an der Unteren Lend, konnte man in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt 10 Tonnen Fundmaterial sicherstellen. Diese sind heute im Depot in Hall eingelagert und werden in Sisyphusarbeit von den MitarbeiterInnen der Stadtarchäologie ausgesiebt und inventarisiert. Zur Aufstockung des Freiwilligenteams freut sich der Verein Stadtarchäologie Hall jederzeit über Anfragen aller Interessierten! Der Einsatzbereich umfasst dabei jedoch unterschiedlichste Ausgrabungen, nicht nur jene bei der Glashütte.

Es liegt auf der Hand, dass gerade Hall logistisch ein optimaler Standort für die Glashütte darstellte. Durch den regen Handel aufgrund des Hafens und der Innbrücke in Richtung Süden, war es den Betreibern der Glashütte möglich, dass ihre Erzeugnisse einen guten Absatz fanden.

Betreiber der Haller Glashütte

Wer waren aber nun die Betreiber der Haller Glashütte? Gleich im ersten Raum zeigt uns Christine alte Dokumente, die von keinem geringeren als dem bekannten Haller Stiftsarzt Hippolyt Guarinoni stammen. In diesem Schreiben an die Erzherzogin Claudia de Medici, ersucht er um finanzielle Unterstützung, um der zum Ende ihres Bestehens bereits „lädierten“ Glashütte nochmals Aufschwung zu verleihen. Er war der letzte Betreiber der Glashütte (Stilllegung 1635!). Die Gründung im Jahr 1534 geht auf Wolfgang Vitl zurück. Ihm wurde auf 20 Jahre das Monopol für die Produktion von farblosem Glas nach venezianischem Vorbild gewährt. Die Blütezeit erlebte die Glashütte unter dem Besitz von Sebastian Höchstetter aus Augsburg.

Der Schmelzofen

Spannend waren die Erzählungen rund um den Schmelzofen. Es konnte bei den Ausgrabungen kein genauer Standort ermittelt werden, doch spielten äußerliche Faktoren wie z.B. der Wind eine große Rolle, um über einen längeren Zeitraum eine hohe und passende Temperatur für die Herstellung der Glasschmelze zu erzielen.

Anhand der Ausstellungsgegenstände erklärt uns Christine anschaulich, wie Pocher, Schmelzer, Einbläser, Kölblmacher & Co mit ihren Werkzeugen (Hefteisen, Glasmacherpfeife usw.) vor dem Schmelzofen ihre Arbeit verrichteten. Jede noch so kleine Hand war für den Betrieb einer Glashütte notwendig. Der sogenannte Hüttenbub ist neben vielen anderen kleinen Tätigkeiten auch zum Ausschank von Getränken an die Handwerker zuständig. Deren Frauen sind u. a. für das Sammeln von Glasbruch zur Wiederverwendung zuständig. Schon damals galt das Recycling von Altglas als besonders wertvoll.

Anschauliche Videos

Im vorletzten Raum der Ausstellung zeigen Videos aus dem Corning Museum of Glass, wie diverse Objekte hergestellt werden und runden die detailreichen Erklärungen von Christine noch zusätzlich ab. Man kann sich ein gutes Bild davon machen, wie präzise und schnell gearbeitet werden muss. Bereits Sekunden entscheiden, ob das Glas weiterverarbeitet werden kann oder nicht. Die Hitze der Öfen und die teils kräfteraubende Arbeit der Glasmacher erklären, weshalb auch heute noch hauptsächlich Männer in dieser Branche tätig sind.

Umfangreiche Produktpalette mit hohem Wert

Die Vielfalt an Formen, Farben und Dekoren verdeutlichen die hohe Qualität der Glashütte Hall. Im letzten Raum wird die umfangreiche Produktpalette gezeigt. Dazu zählen neben Hohlgläsern auch Fenstergläser: Butzenscheiben, Tellerscheiben und Zylinderglas. Sie kamen erst bei den umfangreichen archäologischen Grabungen am Areal der Glashütte zutage.

Wie wichtig neben Salz und Münze auch die Glasproduktion in Hall war, wird mit der Ausstellung FRAGIL noch deutlicher untermauert. Es bleibt zu hoffen, dass der Bedeutsamkeit der ehemaligen Haller Glashütte auch in Zukunft Rechnung getragen wird und wir noch weitere tolle Fundstücke zu sehen bekommen.

Im Rahmen des Wochenprogramms der Tourismusregion Hall-Wattens kann man von Mai bis Oktober 2022 jeden Freitag an einer Führung durch die Ausstellung teilnehmen.

Elisabeth

Elisabeth

Elisabeth hat zwei kleine Kinder und einen Hund. Mit ihrem Rudel ist sie gerne draußen unterwegs. Vor allem an Orten, wo sonst wenig Menschen anzutreffen sind. Ganz speziell an den besonderen Kraftorten in der Region Hall-Wattens. Sie kocht gerne und belebt unseren Kulinarikblog.