Zugegebenermaßen habe ich meinen Besuch im neuen Klocker Museum in Hall etwas auf die lange Bank geschoben. Zu abstrakt wirkten die Kunstwerke auf den Bildern der Webseite des Klocker Museum. Worüber sollte ich schreiben, wenn ich die Kunstwerke nicht verstehe? Doch schnell wurde beim Besuch klar: Ohne Erklärung ist ein Verstehen teilweise gar nicht möglich.

Lena Ganahl, künstlerische Leitung und Geschäftsführung im Klocker Museum sowie ihre Kolleg:innen stehen den Besucher:innen zur Seite und geben ausführliche Erklärungen ab. Denn es braucht jemanden, der einen mitnimmt und eintauchen lässt in die Welt, Gedanken, Formen und Techniken der einzelnen Künstlerinnen. Und hier kann ich ruhigen Gewissens auf das Genderformat verzichten, denn zum Auftakt der Ausstellung wurden aus der Klocker’schen Familiensammlung ganz bewusst ausschließlich weibliche Künstlerinnen präsentiert.

Weibliche Kunst im Museum

Lena ist stolz auf die hohe Qualität der weiblichen Künstlerinnen, die den männlichen Kollegen um nichts nachstehen. Sie zeigt mir das imposante Werk ohne Titel von Martha Jungwirth aus der Serie Spittelauer Lände. Auf den ersten Blick gefiel mir das Bild ausgesprochen gut, ohne jeglichen Grund. Es war einfach ein Gefühl! Die Künstlerin legt Industriepapier auf den Boden oder hängt es an die Wände, arbeitet dabei oft gleichzeitig an mehreren Blättern. Danach bemalt sie es mit ihren Emotionen, welche sie beim Ausblick aus ihrem Atelierfenster an der Spittelauer Lände ergreifen. An diesem Bild erkennt man deutlich, dass der Papierbogen an der Wand gehangen hat und wie die Farbe über den Bildträger lief. Die dunklen Elemente im Bild repräsentieren Wiens Flaktürme. Die Künstlerin zeigt durch große unbemalte Flächen, welche Formen das Papier durch die nasse Maltechnik annimmt.

Martha Jungwirth, Aquarell auf Papier

Am beeindruckendsten fand ich – jedoch erst auf den zweiten Blick! – die Arbeit High Resistance von Maria Anwander. Die 24 Porträts von Schlüsselfiguren des Widerstandes gegen das NS-Regime hängen in einer Reihe an der Wand. Darunter Persönlichkeiten wie Hans und Sophie Scholl. Auf die Portraits sind bunte, geometrische Formen gezeichnet. Sie dienen – ganz wie bei Adam Harvey – dazu, die digitalen Gesichtserkennungen auszuschalten. Maria Anwander möchte die Personen unter eine Art Schutzmantel stellen.

Rasch erkenne ich, dass nur die nähere Beschäftigung mit einem Werk, viele Fragen, ja vielleicht sogar Vorurteile beiseite schiebt und sich ein „Aha-Moment“ an den nächsten reiht.

Maria Anwander, High Resistance, 2018

Aufteilung im Museum

Das Klocker Museum ist in drei Bereiche aufgeteilt. Der knapp 250 qm große Hauptraum zeigt Teile der ca. 1.200 Werke umfassenden Sammlung der Klocker Stiftung. Allein etwa 500 davon stammen von Wolfgang Klockers Freund Paul Flora.

Der jährliche Förderpreis ergeht an junge Künstler:innen, die die Möglichkeit bekommen, in der Black Box – einem ganz neuen Bereich im Museum – im Zuge einer vierwöchigen Künstler:innenresidenz ein Konzept für das Schaufenster zu erarbeiten. Voraussetzung dafür ist ein gewisser Tirol-Bezug. 

Der hintere kleinere Raum ist für Wechselausstellungen reserviert. Vom 26.03 – 18.09. konnte man die Sonderausstellung von Ernst Caramelle bewundern. Es bedarf viel Kreativität, damit die eigene Kunst in diesem geschichtsträchtigen Raum mit dem beeindruckenden Holzdachstuhl zur Geltung kommt. Ernst Caramelle hat dies gekonnt umgesetzt. Beim Verlassen des kleinen Raumes befindet sich auf der rechten Wandseite ein simples Gesicht wieder. Lena erzählt mir, dass Ernst Caramelle neben seinem Studio in Frankfurt, auch in New York tätig ist. Weil er in seinen Anfangszeiten niemanden gekannt hatte, brachte er in seinem Studio Gesichter an den Wänden an, um sich mit ihnen zu unterhalten. Daraus entwickelte sich eine Art Markenzeichen, welches bei genauerer Betrachtung seiner Werke plötzlich überall zu erkennen ist.

Am 30.09. eröffnet um 18 Uhr im Klocker Museum die neue Ausstellung „Im März 2020…“, die die Ankäufe der Klocker Stiftung zu Beginn der Pandemie präsentiert.

Familie Klocker und die Klocker Stiftung

1998 gründete Emmy Klocker die Klocker Stiftung in Andenken an ihren früh verstorbenen Sohn Wolfgang Klocker und ihren 1981 verstorbenen Mann Hans Klocker . Relativ rasch hat sie Anton Klocker – einen entfernten Verwandten der Familie – in den Stiftungsvorstand geholt. Hans Klocker war zwar ebenfalls ein leidenschaftlicher Sammler, jedoch nicht von Kunstwerken wie sein Sohn Wolfgang, sondern von Mineralien. Während die Stiftung beiden Männern gewidmet ist, trägt das Museum ausschließlich den Namen von Sohn Wolfgang Klocker. Bereits mit 17 Jahren hat er sein erstes Kunstwerk gekauft und der Grundstein für seine Sammelleidenschaft war gelegt. Obwohl er Jus studierte, war die Kunst schon immer die größere Leidenschaft von Wolfgang Klocker. Dies spiegelte sich in den regelmäßigen Ausstellungen zeitgenössischer Tiroler Künstler:innen wider, welche er in seinem Autohaus präsentierte. Über viele Jahre war Emmy Klocker darum bemüht, für die Familiensammlung ein eigenes Museum zu betreiben. Doch bedauerlicherweise konnte die 2006 verstorbene Emmy es nicht mehr erleben, wie im neuen Klocker Museum in Hall das Andenken an ihre Familie weiterlebt.

Brigitte Kowanz, Vergessen, 2009

Wie das Klocker Museum nach Hall kam

Das Ziel von Emmy Klocker war es, ein Museum für moderne und zeitgenössische Kunst zu errichten. Sehr bald war klar, dass die Klocker Villa in Arzl nicht als Museum geeignet war. Viele Gespräche, Ideen und Möglichkeiten haben sich zerschlagen. Vielleicht, weil die Verbindungen des Vaters Hans Klocker zum Nationalsozialismus wie das Schwert des Damokles über der Familie hing. Doch von Anfang an hat sich die Klocker Stiftung um Aufklärung bemüht und geht sehr offen mit dem Thema um. Sichtbar wird dies in der Ausstellung selbst. Neben dem oben beschriebenen Kunstwerk von Maria Anwander zeugt auch die Arbeit Vergessen von Brigitte Kowanz ganz deutlich, dass man sich der Geschichte bewusst ist, und nichts dem Zufall überlässt.

Bereits vor Jahren spielte Emmy Klocker mit dem Gedanken, das Klocker Museum in Hall anzusiedeln. In den Räumlichkeiten war vorher die Galerie Schmidt beheimatet, in der Emmy Stammkundschaft war. Auch die Verbindung zum Geburtsort Hall von Sohn Wolfgang machen daraus ein durchwegs rundes Bild. Für die Stadt Hall und die Region ist es in jedem Fall eine Bereicherung und passt wunderbar in das bereits rege Kulturleben der Stadt. Die Räumlichkeiten wurden geschmackvoll und behutsam adaptiert, sowie barrierefrei gestaltet.

Informationen zum Museumsbesuch

Neben der Dauer- und Wechselausstellung werden immer wieder diverse Veranstaltungen angeboten, wie zB Kuratorinnenführung, Talks mit ausstellenden Künstler:innen etc. Entsprechende Informationen sind auf der Seite

Im Rahmen der Langen Nacht der Museen am 1.10.2022 gibt es Sonderführungen im Museum. Im Fokus stehen die Werke der Sammlung Klocker sowie die neuesten Ankäufe der Klocker Stiftung.

Öffnungszeiten Museum: Donnerstag – Sonntag 10:00 – 17:00 Uhr

Geführte Ausstellungsbesichtigungen auf Anfrage unter office@klockermuseum.at

Kontakt: Klocker Museum, Unterer Stadtplatz 5, 6060 Hall in Tirol, +43 5223 22 123

Elisabeth

Elisabeth

Elisabeth hat zwei kleine Kinder und einen Hund. Mit ihrem Rudel ist sie gerne draußen unterwegs. Vor allem an Orten, wo sonst wenig Menschen anzutreffen sind. Ganz speziell an den besonderen Kraftorten in der Region Hall-Wattens. Sie kocht gerne und belebt unseren Kulinarikblog.